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Lakritz - ein Schwabe auf kulinarischer Abenteuerreise

Kaum eine andere Nascherei spaltet so sehr die Gemüter wie es bei Lakritz der Fall ist. Ein Lakritz-Äquator spaltet unser Land. Wo er genau verläuft lässt sich sicher nicht genau ermitteln. Aber nach Angaben von Katjes, immerhin einer der bekanntesten Lakritzhersteller in unserer BRD, wird 80% der Lakritzprodukte in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen verkauft. Die restlichen 20 % entfallen auf die übrigen 14 Bundesländer.*
Das sagt doch schon einiges aus. Lakritzliebhaber sind im Süden Deutschlands, meiner Heimat, definitiv rar gesäat. Und bis vor kurzem gehörte ich ebenfalls mit Sicherheit nicht (!) dazu.

Mein erster Kontakt mit Lakritz war in Form von Lakritzschnecken. Meine Mutter mag Lakritz sehr gerne, aber eben nicht in den Mengen, wie sie mittlerweile verkauft werden. Mit einer ganzen Tüte voller Lakritzschnecken war sie hoffnungslos überfordert und so war die geöffnete Tüte für den Rest der Familie freigegeben und sollte vernichtet werden.
Immer wieder fanden so auf komischen Wegen Lakritz-Naschereien Tüten den Weg in unser Haus. Und ich fand es grausam. Es hat mir einfach nicht geschmeckt, so dass ich mich an diesen Vernichtungsaktionen nicht beteiligt habe.

Seit gut 20 Jahren habe ich nun keine Lakritz mehr zu mir genommen und hatte zwischenzeitlich auch keinen Drang dazu.
Nun aber mit dem Umzug nach Hamburg habe ich mir einen Ruck gegeben. Immerhin lag die Erfahrung schon eine ganze Weile zurück. Vielleicht sollte man es noch einmal versuchen und vielleicht auch versuchen herauszufinden warum man es nicht mag.

So habe ich mich also in den vergangenen Wochen durch verschiedene Lakritzprodukte geschnüffelt und probiert, genauso wie ich mich über Süßholz und Salmiak informiert habe. Es war also eine kleine Abenteuerreise, die ich da auf mich genommen habe. Und dieses Abenteuer hat sich für mich gelohnt. Ich weiß jetzt warum ich die bisher bekannten Lakritzprodukte nicht mochte und ich weiß nun welche Lakritz mir schmeckt.  Und das, man denke an den Lakritzäquator, ist für einen gebürtigen Schwaben doch schon eine ganz ordentliche Leistung, oder etwa nicht?


Diese "Reise" startete dann ganz spontan in einem kleinen Supermarkt nach der Arbeit vor dem Süßwarenregal, mit einem größerem Sortiment an Lakritzprodukten, dem ich mich bisher gegenüber sah. Der Griff ging zu zwei Produkten. Zum Einen eine Tüte Kinder-Lakritz und zum anderen eine Schokolade mit Salzlakritz-Stückchen.
Daheim angekommen wurde beides intensiv probiert, betatscht und beschnüffelt.
Und somit stieg ich in die Theorie ein.

Der Aromageber dieser ganzen Naschereien ist das Süßholz. Süßholz ist eine Pflanze mit hübschen kleinen Schmetterlingsblüten, die bei Ameisen heiß begehrt sind. Für die Lakritzherstellung werden die Wurzeln dieser Pflanzen benötigt. Dieser Aromastoff wird zusammen mit süßenden, bindenden Zutaten und Salmiak zu den bekannten Lakritzprodukten verarbeitet. Oft wird dabei auch noch mit etwas Farbstoff nachgeholfen um den Süßigkeiten eine tief schwarze Farbe zu geben, da die charakteristischen Geschmacksgeber der Nascherei lediglich ein Braun ergeben.
Der Gehalt an Salmiak bestimmt in welche Kategorie die Nascherei eingeordnet wird. Liegt der Anteil unter 2% so gilt das Produkt als Kinderlakritz, Erwachsenenlakritz enthält bereits schon 2 bis 4,49% und Stark- oder Salzlakritz enthält 4,49 bis 7,99% des Ammoniumchlorids. **
Salmiak ist ein natürlich vorkommendes Mineral, chemisch als Ammoniumchlorid bezeichnet. Dieses Mineral ist als Zusatzstoff E510 geführt. Es hat ganz unterschiedliche Einsatzgebiete. Unter Anderem wird es in der Industrie als Bestandteil von Kältemischungen, beim Löten, etc. aber anderer seits auch in der Medizin als Hustenlöser und eben bei Lakritz verwendet. ***

links: Süßholzpulver, rechts: Süßholzwurzel in Stückchen
Es gibt noch wesentlich mehr über Lakritz und seine Inhaltsstoffe zu wissen, aber hier soll dieser theoretische Teil in diesem Umfang ausreichend sein.
Aber aufgrund dieser Miniatur-Recherche war mir plötzlich bewusst woran mich die bisher bekannten und auch die neu probierten Lakritzprodukte allesamt erinnerten und auch, warum ich sie vom Geschmack her nicht mochte: Das Salmiak war schuld.
Kennt ihr Hirschornsalz? E503, Ammoniumhydrogencarbonat. Fast jährlich verwende ich dieses Salz als Backtriebmittel in meinen Lebkuchen. Dabei muss das Ammoniak aus den Backwaren wieder entweichen, was es während einer Ruhzeit tut und anschließend riecht die ganze Küche kurzzeitig nach Ammoniak. Und genau an diesen Geruch hat mich der Geschmack von Lakritz erinnert. Das war es, mein Problem mit dieser schwarzen Lakritz. Und je mehr Salmiak in so einer Nascherei enthalten ist, desto eher dreht es mir den Magen um.

Das Süßholz war also nicht das Problem, denn das kannte ich bereits aus den Apotheken. Wenn mal was mit dem Magen war oder ist, dann mache ich mir daraus, als Teeverächter, einen Tee, der auch ganz gut schmeckt. Verschiedene Teemarken bieten auch entsprechende Mischungen mit einem Bestandteil Süßholzwurzel an. Und über kurz oder lang ist das Süßholzpulver auch ab und an in arabisch angehauchte Gerichte, in Kuchen, Espresso und Kakao gewandert.

Nun stand die Frage im Raum ob es denn eine Lakritz-Sorte gibt, ganz ohne Salmiak. Da mir selbst die Kinderlakritz aus diesem Grund nicht so recht schmecken wollte.
Nach einem Tipp ging es vergangenen Samstag zur Lakritzerie in Hamburg (Barmbeker Straße 189). Auch wenn mir gesagt wurde, dass dieser Laden sehr kundig geführt wird und alles hat was das Lakritzfan-Herz höher schlagen lässt war ich doch skeptisch. Ist es doch schon fast ein absonderlicher Wunsch ein Produkt ohne dessen promimenten Nebenbestandteil erwerben zu wollen. Aber ich wurde hier eines Besseren belehrt.

Ja, das gibt es tatsächlich und zwar nicht unbedingt nur in der Reinform, also Süßholzwurzelpulver bzw. -stückchen. Die Firma Haribo vertreibt das Produkt Pontefract Cakes, ursprünglich ein Produkt der britischen Firma Pontefract, in England. Und die Verkäuferin in diesem Lakritzladen in Hamburg konnte mir auf meine Frage hin tatsächlich auf Anhieb dieses Produkt nennen. Nach einer kurzen Kostprobe landeten direkt auch zwei Tüten in meiner Tasche. Meine Zunge sagte mir, dass wirklich kein Salmiak enthalten ist. Dennoch hat es einen ausgeprägten Lakritz-Geschmack.

HARIBO Pontefract Cakes
Und nun?
Ich denke, die Versuchsreihe, Lakritzeis ist als langfristiges Experiment eröffnet. Immerhin stehen mir nun neben dem ursprünglichen Geschmacksgeber Süßholz auch Weichlakritz zur Verfügung, beispielsweise um daraus einen feinen Schokoladen-Lakritz-Sirup herzustellen. Wer weiß, was sich daraus alles Leckeres zaubern lässt.



Weiterführende Links und Quellen:
* Welt.de - Das Geheimnis des Lakritzäquators
** Wikipedia.org - Lakritz als Süßigkeit
*** Wikipedia.org - Salmiak, E510, Ammoniumchlorid

Weiterführende Links:
Wikipedia.org - Hirschhornsalz, E503, Ammoniumhydrogencarbonat
Wikipedia.org - Hauptartikel Lakritz bzw. Süßholz